Der Bundesverband Österreichischer Kinderschutzzentren begrüßt die Bemühungen zur Novellierung des Kindschaftsrechts und ist seit März 2021 in den Prozess zur Entwicklung und Konzeption der Novelle in verschiedenen Arbeitsgruppen aktiv involviert und engagiert.

Hervorheben möchten wir, dass mit dieser Novelle ein zeitgemäßes Gesetz zur Regelung der Verantwortung beider Elternteile geschaffen werden soll, das das Kindeswohl und die Kinderrechte konsequent in den Mittelpunkt der Überlegungen stellt. In der Gesetzesnovelle wird das Recht des Kindes auf beide Eltern (Artikel 2) gewürdigt und als selbstverständlich angesehen und eine Übernahme von Verantwortung durch beide Elternteile gefordert. Ein reines Kontaktrecht soll es nur auf Wunsch des Kindes geben, wenn es für seine Identitätsentwicklung notwendig ist.

Kommt es allerdings zu direkter Gewalt am Kind oder zu indirekter im Falle häuslicher Gewalt, so braucht dies eine gesonderte Betrachtung und muss explizit in familienrechtlichen Entscheidungen im Sinne des Kindeswohls Berücksichtigung finden.

In diesen Fällen braucht es Maßnahmen, die  das Kindeswohl sichern und auch den Kindeswillen (Recht auf Beteiligung, Artikel 4) berücksichtigen – im Bewusstsein dessen, dass Kinder spezifische Mechanismen entwickeln (Identifikationen, Parentifizierung…)  um der erlebten Gewalt Sinn zu geben bzw. diese auch (oft über lange Zeit) aushalten zu können.  Dafür ist  es notwendig, Kinder nicht aus dem Blickwinkel des jeweiligen Elternteils zu sehen, sondern individuell die Betroffenheit und die Bedürfnisse des Kindes in den Mittelpunkt zu stellen.

Wir begrüßen sehr, dass das Thema Schutz vor indirekter und direkter Gewalt an Kindern in der Diskussion um die Novelle viel Raum bekommt und bekommen hat und unter Einbindung von Expert*innen Empfehlungen für Richter*innen ausgearbeitet werden sollen.

Damit die Sensibilisierung einerseits zum Thema elterliche Verantwortung aber auch zum Thema Auswirkungen von Gewalt an Kindern zu diesem Thema gelingen kann, wird es neben dem Gesetz noch weitere Maßnahmen zur Schulung als auch Bewusstseinsbildung brauchen.

Zum Thema Kinderschutz im Kontext familienrechtlicher Entscheidungen wurde in den vergangenen Jahren umfassend geforscht und publiziert.

Die Österreichischen Kinderschutzzentren möchten einen Beitrag zur aktuellen Diskussion leisten und haben in Kooperation mit der Kinder- und Jugendanwaltschaft Österreich und  dem Netzwerk Kinderrechte ein Grundsatzpapier verfasst, in dem wir unsere Haltungen und unsere Expertise auf Basis einschlägiger Fachliteratur und Forschungsarbeiten begründen:
„KINDERSCHUTZ IM FAMILIENRECHT VERANKERN! Grundlagen für den Schutz von Kindern in familienrechtlichen Konflikten nach häuslicher Gewalt – Grundsatzpapier der Österreichischen Kinderschutzzentren in Kooperation mit den unterzeichnenden Organisationen“

Sie finden in diesem Papier erst grundlegende Informationen zu den Themen Gewalt, Kindeswohl und Kindeswille sowie zum rechtlichen Rahmen. Ausgehend von den unterschiedlichen Gewaltformen und deren Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche werden mit einem Schwerpunkt auf häusliche Gewalt und Hochstrittigkeit Empfehlungen für familienrechtliche Verfahren abgeleitet.

Hier das Grundlagenpapier zum Download:
Kinderschutz im Familienrecht verankern – Grundlagenpapier